Donnerstag, 24. März 2016

08.03.2016 | Pamukkale – der Klassiker in der Türkei

Beim Morgenspaziergang im "Zentrum" von Pamukkale fällt mir ein besonders originelles Werbeschild auf: HOTEL ALLGÄU.



Unser junger Wirt spielt nur mit seinem Handy, meint Young-Ran. Was soll er sonst auch tun, die vorbeifahrenden Autos zählen? ist meine Antwort. Wir sind um 8:30 Uhr die einzigen Gäste und das noch nicht mal in seinem Lokal, sondern auf dem OTOPARK, wo wir uns gerade zur Abfahrt bereitmachen.

Von unserem Übernachtungsplatz sind es nur ein paar Schritte bis zu den Kalksteinterrassen von Pamukkale. Kein Platz in Westanatolien, nicht einmal Ephesus hat eine so schnelle Veränderung erlebt. Vor 40-50 Jahren war Pamukkale ein Ort, an dem Reisende, die zufällig vorbeikamen, Ruhe fanden, eine frei fließende, heilige Quelle und ein paar antike Säulen sahen. Heute drängen sich dem Besucher Werbeschilder der Hotels und Pensionen auf, Souvenirläden versuchen zum Kauf von Nippes zu verführen und hässliche Bauten am Straßenrand vermitteln zunächst ein wenig schönes Bild.


Pamukkale liegt im Tal des Flusses Mäander. Das Becken des Mäander entstand aus einer Verwerfung. Aufgrund des tektonischen Geschehens befinden sich hier eine Menge heißer Quellen. Eine dieser Quellen bewirkt das Naturwunder von Pamukkale. Es ist Wasser, das sprudelnd, vornehmlich Kalk und noch viele andere Mineralien, seit Jahrtausenden an die Erdoberfläche befördert.

Zuerst fällt unser Blick auf eine weiße Felsenterrasse, eine scheinbare Schneelandschaft, die sich über etliche Meter aus der Ebene erhebt, an dessen Abhängen sich stufenartig zahlreiche Becken gebildet haben. Dieses Naturschauspiel hat sich in langen Zeiträumen gebildet. An den Seiten der einzelnen Terrassen hängen Zapfen oder Stalaktiten, die in der Sonne weiß schimmern. Die Terrassen entstehen aus dem Wasser, das aus einer heißen Quelle auf dem Gipfel entspringt und beim Niederfallen auf 33 °C abkühlt. Im Thermalwasser findet man gelöstes Kalziumbikarbonat, das sich auf der Erdoberfläche in Kalziumdioxyd, Kalziumkarbonat und Wasser aufteilt. Das Karbondioxyd verbindet sich mit der Luft, Kalziumkarbonat, der grauweiße Kalk erhärtet sich und trennt sich vom Wasser. Die Kalkablagerungen setzen sich zuerst in den Becken ab, sobald diese mit Kalk gefüllt sind, fließt das Wasser an den Seiten über, bildet neue Becken, füllt Vertiefungen und gelangt schließlich hinunter in die Felder. So entstanden im Laufe von Jahrhunderten die mehr als hundert Meter hohen Terrassen. Die auffälligen Stalaktiten, die bei der Entstehung der Ablagerungen gebildet werden, gruppieren sich in Stufen übereinander, bilden Terrassen und Kalkzapfen wie in Tropfsteinhöhlen, die von den Rändern herabhängen. Das Kalziumoxyd im Wasser verdickt die weißen Ablagerungen, verbreitert die Terrassen und schafft Gebilde, die wie Muschelschalen oder Blütenblätter aussehen. Schwefelspuren und Eisenoxyd bringen gelbe, rote und grüne Linien auf die weißen Flächen, die höchst interessant aussehen.

Kaum, dass wir aus unserem Fahrzeug aussteigen, bietet man uns ein Pamukkale Büchlein, inkl. einem kleinen Karten-Set, für 20 TL an. Das Fahrzeug können wir kostenlos am Straßenrand stehen lassen – ein Angebot, was sicherlich nur zu dieser Jahreszeit gilt, da nur wenige Meter weiter ein kostenpflichtiger Parkplatz zur Verfügung steht.





Unterhalb der Terrassen schlendern wir zunächst durch einen kleinen Park mit einem hübsch angelegten See. Sofort biete man uns hier wieder das von uns gerade erworbene Pamukkale Büchlein an. Dankend lehnen wir ab und werden nach dem Preis gefragt, den wir bezahlt haben. Statt 20 TL sollen wir hier nur 15 TL bezahlen. Zwar günstiger, aber zwei brauchen wir wirklich nicht. Außerdem haben wir ja noch ein Karten-Set erhalten und einen kostenlosen Parkplatz dazu. Der nächste Anbietende verlangt 10 TL und der letzte Anbieter nur noch 5 TL, mit dem Hinweis, dass er in Deutschland lange Jahre lebte und eine deutsche Familie schließlich auch auf das Geld achten muss. Er hat recht. Ein Hinweis für alle zukünftigen Türkei-Reisende, oder Pamukkale-Besucher, nicht sofort jeden Preis, gerade in touristischen "Hochburgen", zu akzeptieren.


Der Eingang zu den Terrassen liegt rechts, etwas oberhalb des Parks. Mit dem Hinweis, dass es verboten ist die Terrassen mit Schuhen zu betreten, ziehen wir unsere Schuhe aus und betreten barfuß die märchenhafte Landschaft, die seit 1988 zum Unesco-Welterbe zählt. Die festgelegte Strecke lässt sich relativ leicht aufwärts laufen, gemächlicher Anstieg, keine große Anstrengung – also auch für ältere Menschen wie uns gut zu bewältigen. Zora, die auch hier, wie bisher überall, die Kulturstätten besuchen darf, wird von anderen Besuchern immer wieder angesprochen und heran gerufen, u. a. von einer in Speyer lebenden türkischen Familie, die z. Zt. in der Türkei ihre Eltern besuchen.




Baden darf man nur in einigen künstlich angelegten, flachen Betonbecken – und in der künstlichen Rinne, durch die das Wasser läuft und uns die ganze Zeit beim "Besteigen" der Terrassen begleitet.

 

Nicht überall strahlen die Sinter schneeweiß. Früher wurden Hotelanlagen direkt über den Terrassen gebaut. Das heiße Wasser wurde erst in die Hotel-Pools geleitet und dann auf den Abhang. Mit fatalen Folgen: Das Wasser kühlte schon oben ab, bildete hier den weißen Sinter, auf die Terrassen aber floss Schmutzwasser, und es bildete sich kein neuer Travertin mehr. Den Rest erledigten die Touristen, die vor 20 Jahren noch in Schuhen herumlaufen und in allen Becken baden durften. Vom leuchtenden Pamukkale-Weiß war kaum noch etwas zu sehen, der Hang lag so grau und unansehnlich da, dass Umweltorganisationen Alarm schlugen. Die Regierung geriet unter Druck und ließ die Hotels schließen, im Jahr 2000 wurde das letzte abgerissen. Die letzten grauen Flächen, die ich vermeide aufzunehmen, zeugen heute noch von dieser Umweltsünde.



Oben angekommen setzen wir uns auf eine Bank und genießen den Blick auf die Anlage – unter entsprechendem Schutz. Das Sicherheitspersonal ist damit beschäftigt, Zora zu fotografieren oder sich – wiederum unter Aufsicht – den "Pferdeschwanz" neu legen zu lassen. Wir beachten hier unseren eigenen Schutz und halten uns von jeder Menschenmenge fern, die allerdings zu dieser Jahreszeit kaum anzutreffen ist. Was unseren Aufenthalt in der Türkei in jeder Hinsicht begünstigt.

 



Hier auf dem Plateau liegen die Ruinen von Hierapolis. Young-Ran gönnt sich eine Auszeit, ich laufe mit Zora durch die Ruinen. In der antiken Stadt ist ein römisches Bad mit hohen Gewölben, sowie ein antikes Theater besonders gut erhalten. Besucht werden kann ein archäologisches Museum, das einige reich verzierte Sarkophage zeigt. Entschädigung für das Badeverbot in den Terrassenbecken bietet gleich hinter dem Museum der "Antique Pool". In dem angenehm warmen Quellwasser schwimmt man zwischen Säulenteilen umher –das Bad ist der Rest eines ehemaligen Hotelpools.



Beim Abgang, den wir nicht mit dem Gleitflug wählen, ruft uns ein junger Türke zu sich heran und ist stolz, mit unterschiedlichen Besuchernationen, Chinesen, einer Koreanerin und einem Deutschen, von seinen Kameraden fotografiert zu werden.

Das Phänomen von Pamukkale wiederholt sich nur gut fünf Kilometer weiter in nördliche Richtung. Das Dorf Karahayit hat seinen eigenen Wunderfelshang. Hier färben Eisen und Schwefel die Felsen in knalligem Rot, Gelb und Grün. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit verzichten wir auf einen Besuch dieser Attraktion, um noch vor Einbruch der Dunkelheit in Marmaris anzukommen. Laodikeia, kurz vor Denizli gelegen, stand noch auf unserem Besichtigungsprogramm, fällt jetzt aber auch der knappen Zeit zum Opfer. Unser Reiseführer empfiehlt zwar ausdrücklich den Besuch dieser antiken Stätte, da man hier auf dem Boden steht, wo eine der ersten sieben Kirchen in der Geschichte der Christenheit gegründet wurde, ansonsten aber nur ein zerstörtes Theater und ein monumentaler Brunnen zu finden ist. Darauf können wir heute gut und gerne verzichten und fahren dafür lieber wieder durch den Großstadtverkehr von Denizli und lassen noch den beinahe leeren Dieseltank befüllen. Nach dem Tanken führe, bzw. versuche ich eine Diskussion mit dem Tankwart zu führen, da er mir keinen Tankbeleg ausstellt, sondern mir nur die Kreditkarten-Quittung aushändigt. Das Ergebnis kann sich jeder vorstellen – meine Bemerkungen sind erfolglos. Nicht verstanden oder nicht verstehen wollend, entfernt sich der Tankwart und betankt das nächste wartende Fahrzeug.

Durch Denizli und wieder an Tavas vorbei geht es die 330 durch eine gebirgige, hin und wieder recht kurvenreiche Strecke, die überwiegend in einem sehr schlechten Zustand zu befahren ist, aber ausgebaut wird. Nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung, die ich penibel einhalte, werden wir trotzdem von einer Verkehrskontrolle angehalten. Der Polizist ist überaus freundlich, strahlt uns an und meint verry good, verry nice – schaut zur Wohnkabine hoch und lässt uns weiterfahren. Auf diese freundliche Geste hätten wir natürlich verzichten können, sind uns aber bewusst, dass wir dem Polizisten sicherlich eine gewisse Abwechslung geboten haben. Einige Kilometer weiter wieder eine Polizeikontrolle, diesmal mit ausdrücklichem Stop-Schild. (Ich weigere mich hier, ein doppeltes "p" zu tippen, da ja auf dem Schild STOP und nicht STOPP steht.) Ich bremse ab, um anzuhalten, werde aber von dem hinter mir fahrendem LKW durch ein langanhaltendes, aufdringliches Hupen aufgefordert, weiter zu fahren. Anderes, als Gas zu geben, bleibt mir in dieser Situation nicht übrig. Die Entscheidung ist richtig, da weit und breit keine kontrollierenden Polizisten zu sehen sind.

Gegen 18:30 Uhr, also kurz vorm Dunkelwerden, erreichen wir die vom Tourismus geprägte Küstenstadt Marmaris, im südwestlichen Teil der Türkei. An der belebten Uferpromenade suchen wir vergeblich einen Parkplatz und verlassen nach kurzem Devisenumtausch die Stadt, das Fahrzeug parke ich im Parkverbot. 9 km nach dem Ortsausgang finden wir einen geeigneten Parkplatz zum Übernachten – natürlich direkt an einem Restaurant gelegen. Wir werden äußerst freundlich begrüßt, insbesondere Zora, die im Restaurant frei rumlaufen darf und von einem Gast gleich vom Teller ein "Leckerli" zugeworfen bekommt, was Zora freudig annimmt und mich "zwingt", dies lächelnd zu akzeptieren. Bei unserem Verlassen der Lokalität steht dieser Gast auf und verabschiedet sich von uns mit einem herzlichen Handschlag.

16.535 km Tagesstart
16.769 km Tagesende


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