Sonntag, 20. März 2016

04.03.2016 | . . . und wieder hinauf zur Akropolis

Es ist 5:35 Uhr – wer zu dieser Zeit noch nicht wach ist, wird es spätestens jetzt. Der Muezzin ruft über Lautsprecher vom Minarett zum Gebet Allah u Akbar, Allah u Akbar. Ash-hadu al-la Ilaha ill Allah, Ash-hadu al-la Ilaha ill Allah. Ash-hadu anna Muhammadan Rasulullaah. Hayya la-s-saleah, Hayya la-s-saleah. Hayya la-l-faleah, Hayya la-l-faleah. Allahu Akbar, Allahu Akbar. La Ilaha ill Allah. Gott ist groß, Gott ist groß [größer als alles und mit nichts vergleichbar]. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott. Ich bezeuge, dass Muhammed Gottes Gesandter ist. Eilt zum Gebet, Eilt zum Gebet. Eilt zur Seligkeit, Eilt zur Seligkeit/zum Erfolg. Gott ist groß, Gott ist groß. Es gibt keine Gottheit außer Gott.

Dann, kurz nach 8 Uhr, mein morgendlicher Spaziergang mit Zora. Hinter uns höre ich ihren Namen rufen, schaue mich um und sehe von weitem einen der drei Jungs, die gestern Abend mit Zora spielten. Nochmals Zora. Ich warte bis der Junge bei uns ist. Er streichelt Zora ganz vertraut und hat für mich einige türkische – ich denke – freundliche Worte. Wir lachen uns an und gehen wieder auseinander.

Am Straßenrand, in der Nähe ihres Stalls, "begutachtet" Zora eine Kuh. Der Besitzer (?) spricht mich an, ich schaue ratlos und hebe "fragend" meine Schultern. Lessi?, also Collie. Nein, Australian Shepherd. Er zeigt auf die Kuh, dann auf Zora und hebt seinen Daumen nach oben – so, als wolle er ausdrücken, die beiden gehören zusammen.

 

Von unserem Übernachtungsplatz geht es nach dem Frühstücken wieder die gleiche Strecke, die wir gestern schon gefahren sind, zurück zur Akropolis. Auf der Izmir Caddesi sehen wir schon weit vor dem Stadtzentrum eines der zwei größten Attraktionen von Pergamon, die Akropolis. Die zweite Attraktion, das Asklepieion, eine der berühmtesten Heilstätten der Antike, liegt im Südwesten der Stadt (ca. 20 Gehminuten vom Cumhuriyet Meydani entfernt), also in entgegengesetzter Richtung zur Akropolis. Alle Sehenswürdigkeiten Pergamons sind übrigens sehr gut ausgeschildert.


 

Hinter dem Kassenhäuschen gehen wir den Weg bergan und machen in ca. 300 Meter Höhe zunächst einen Rundgang durch die Oberburg. Auch wenn nur noch spärliche Rest aus der Antike zu besichtigen sind, Fundamente, Mauerreste, Teile der Säulenhallen eines Tempels, eine korinthische Giebelecke, Festungswälle, das steil angelegte Theater und einiges mehr, ist der Gang durch die Geschichte doch sehr beeindruckend. Hier oben stand einst der berühmte Zeus-Altar, der heute im Berliner Pergamon-Museum zu besichtigen ist. Young-Ran sucht sich irgendwann einen windstilleren Platz, Zora und ich stöbern weiter in vergangene Zeiten. Böenhafter Wind, Regen und Hagel verkürzen dann aber doch unsere Aufenthaltsdauer auf der Akropolis. Ein Hinweis für alle, die mit der Seilbahn nach oben fahren: im Anschluss an den Rundgang durch die Oberburg kann man durch die Unterstadt nach Bergama absteigen. Dies soll sehr lohnenswert sein. Insgesamt werden im Reiseführer 30 Ausgrabungen der antiken Stätten im Bereich der Stadt Bergama aufgeführt.












Nach Beendigung unseres Rundgangs wurden wir von einem Herrn angesprochen, der uns auf eine in der Nähe liegende Teppichknüpferei hinweist. Er war in Erlangen zu Hause und spricht akzentfrei deutsch. Nein, danke, ist meine Erwiderung, wir sind am Kauf von Teppichen nicht interessiert. Das müssten wir auch nicht – Informationen über die Teppichknüpferei in der Türkei könnten doch aber auch für uns von Interesse sein. Recht hat er. Da wir auf der Route Richtung Izmir sind, nehmen wir das Angebot an und fahren zur Carpet Weavers Association, direkt an der E87/550 gelegen. Hier weise ich auch noch einmal vorsorglich darauf hin, dass wir keinen Teppich kaufen würden, sondern nur an Informationen über die Herstellung von Teppichen interessiert sind. Wie wir erfahren, versucht die Kooperative junge Menschen vermehrt an die Teppichknüpferei heranzuführen, da dieses Handwerk in der Türkei am Aussterben ist. Seit über 500 Jahren werden Teppiche in traditionellen Farben und Motiven in der Stadt Bergama geknüpft. Heute ist der Teppich nur noch ein Museumsstück oder ein mitgebrachtes Souvenir. Auf den laminierten und gefliesten Böden hat heute kaum noch jemand einen Teppich zu liegen. Geschätzt wird das Handwerk schon lange nicht mehr. Aufgrund der zurückgehenden Nachfrage geht die Produktion türkischer Teppiche zurück. Verstärkt werden heute in der Türkei Teppiche aus Persien und Afghanistan angeboten und verkauft.




Die Kooperative will alte Traditionen wiederbeleben und unterstützt Frauen in abseits gelegenen Dörfern. Sie stellen Knüpfstühle zur Verfügung und schaffen so Arbeitsplätze, bei denen Frauen in Heimarbeit Geld verdienen. Abnehmer dieser Teppiche sind insbesondere deutsche Touristen – wir nicht. Trotzdem werden wir durch die vielen Räume geführt, die mit bunt leuchtenden Teppichen behangen und gestapelte sind.

Für die lehrreiche Information und für die spannende Ausführung sind wir sehr dankbar und laden deshalb zum Ende der Führung den Geschäftsführer der Kooperative ein, unsere Wohnkabine zu besichtigen. Ich öffne die Tür, nein, ich versuche die Tür zu öffnen und habe keinen Erfolg. Ich drehe den Schlüssel nach rechts, ich drehe den Schlüssel nach links, ziehe am Türgriff, nichts tut sich. Wir erhalten beim Verabschieden den Hinweis, dass man das Problem einige Kilometer weiter lösen wird. Fahren Sie so weit, bis Sie wieder ans Meer kommen, auf der rechten Seite sehen Sie in der Ferne eine Raffinerie, auf der linken Straßenseite liegen einige Werkstätten, die werden Ihnen helfen. So beschrieben halten wir an einer der besagten Werkstätten und hoffen darauf, dass man uns die Tür wieder öffnet. Stattdessen bekommen wir den Rat, noch fünf Kilometer weiter zu fahren, da wäre, wiederum auf der linken Seite, eine große Autowerkstatt. Wie wir das alles in türkischer Sprache verstehen, ist nicht zu erklären. Doch die Verständigung ist perfekt – nach genau fünf Kilometern sehen wir "die große Autowerkstatt" – FORD TRUCKS. Bevor wir die anfahren setze ich mich zunächst aber mit TISCHER, dem Wohnkabinenhersteller, telefonisch in Verbindung und lasse mir erklären, was passiert sein könnte und wie man mit dem Schloss verfahren soll. Mit dieser Information fahren wir auf das FORD Gelände.




Drei Mitarbeiter nehmen sich dem defekten Schloss an und stellen recht schnell die Funktion wieder her. Ich bin erleichtert, möchte bezahlen und werde auf das Büro vorne bei der Einfahrt hingewiesen. Hier denkt man wohl, dass ich zur Inspektion mit meinem FORD RANGER vorgefahren sei und verlangt von mir ein Papier, indem man auf die Sonnenblende hinweist. Ich verstehe und reiche mein Kfz-Schein. Nein, ich habe nicht richtig verstanden, den möchte man nicht haben. Klar, es kann nur das Service-Heft sein. Richtig. Aber wofür. Zwischenzeitlich kommt einer der Mechaniker, die das Schloss wieder gangfähig machte zu uns und klärt auf. Nun noch ein Telefonat, dann eine Beratung zwischen zwei Herren im Büro und schließlich ein freundlicher Handschlag von einem der beiden und die Geste, dass dieser Service kostenlos ist. Einfach toll. Mit einem herzlichen Dankeschön, wie auch immer geäußert, mit Sicherheit von den drei Herren aber verstanden, verabschieden wir uns und fahren unserem heutigen Ziel, dem Städtchen Foca, etwa 70 km nordwestlich von Izmir gelegen, weiter entgegen.

Das ehemals griechische Foca lebt vom Fischfang und von seinen überwiegend türkischen Gästen, darunter viele Wochenendausflügler aus Izmir. Wir, als europäische Touristen, stellen die Minderheit dar. Foca teilt sich durch eine Landzunge in zwei Buchten und in zwei Häfen, die gut zu Fuß zu erlaufen sind. Wir "landen" ungewollt in der nördlichen Bucht Kücükdeniz – und befinden uns im schönsten Teil des kleinen Fischerdorfes. Wir laufen, nachdem wir unser Fahrzeug auf einem privaten Parkplatz kostenpflichtig abgestellt haben, auf einer Uferpromenade an einladenden Restaurants, Bars und Cafés vorbei und entschließen uns zur Einkehr in ein kleines Restaurant, da wir heute noch nichts, außer unserem Frühstück, gegessen haben. Von hier genießen wir den Blick auf Fischer- und Ausflugsboote und auf die gegenüberliegende Promenadenseite. Da wir wohl "auffällig" sind, werden wir von einer älteren Dame angesprochen, die uns bei unserer Bestellung behilflich ist. Wie sie uns erzählt, hat sie in Istanbul Germanistik studiert und war lange Jahre hier in der Türkei Deutschlehrerin. Jetzt reist sie um die Welt, hat hier in der Nähe eine Wohnung, wohnt aber überall und nirgends. Hat keine finanziellen Sorgen, wie sie sagt, genießt das Leben, ist überall rum gekommen, insbesondere haben es ihr die skandinavischen Länder angetan. Mit einigen Tipps für unseren Türkei-Aufenthalt verabschiedet sie sich von uns. Wir wünschen ihr ein weiterhin erfülltes Leben. Wir bleiben nicht alleine. Jetzt setzt sich ein älterer Herr zu uns, der zuvor mit einem anderen älteren Herrn an einem benachbarten Tisch mit einem Brettspiel beschäftigt ist. Tochter und Enkelkinder leben in Sindelfingen. Er war in Deutschland beamteter Dolmetscher und gönnt sich jetzt ein schönes Leben. Seit vielen Jahren wohnt er etwas außerhalb von Foca, preist die Gegend, das hiesige Wetter und hofft noch auf ein paar gesunde Jahre.






Wenn ich es nicht schon an anderer Stelle erwähnte, unser Urlaub gestaltet sich sehr kommunikativ und, ich nenne es mal "menschennah", ungemein unterhaltsam. Wir fühlen uns in der doch vorher so fremden Türkei sehr wohl, sehr gut aufgenommen und schon beinahe vertraut.

15.791 km Tagesstart
15.905 km Tagesende


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