Das Löffelausschlagen ist
für Zora ein gutes Zeichen – es gibt Futter. Das zuvor eingeweichte Trockenfutter
wird mit einem Schuss Olivenöl, genau einem Teelöffel voll, verfeinert, das ganze
wird umgerührt und dann erfolgt das Ausschlagen des Löffels am Futternapf. Zora
bleibt so lange liegen, bis sie das Kommando zum Fressen erhält und isst ihr
Futter schnell aber nicht gierig auf. Eine Ähnlichkeit mit meiner Essgewohnheit ist
erkennbar.
Das Wetter hat sich in der
Nacht wieder beruhigt, bei unserem Morgenspaziergang steigt leichter Frühnebel von der Wasseroberfläche des Köyceğiz-Sees hoch – es ist sonnig und trocken. Die Stimmen und Kommandos
der Kanu-Trainerin und des Trainers dringt während unseres Frühstückens bis in unsere Wohnkabine herein.
Gestern Abend, bei schlechtem Wetter, haben wir die Sportler bedauert – heute
früh könnte man sie beneiden. Tun wir aber nicht, weil wir den See, die zwei
Kilometer lange Seepromenade selbst genießen. Unser Spaziergang führt uns
zunächst in Richtung Kanuschule und weiter in den touristischen "Lauf"-Teil zur "Ausgeh- und Sich-Zeige-Promenade" mit Bars, Cafés und Restaurants, die gerade
hergerichtet werden. In die andere Richtung zurück geht es zum sportlicheren Teil
des Sees, mit dem Start-Ziel-Einlauf (?) der Kanurenn- und -Trainingsstrecke.
Direkt gegenüber präsentiert sich ein Campingplatz in einer super
Anlage vom Feinsten.






Die Stadt Köyceğiz,
ein kleiner und beschaulicher Ort mit 7500 Einwohnern, liegt am nördlichen Ende des Sees. Köyceğiz ist umgeben von
Weihrauchbaum-Wäldern, Oliven- und Zitrushainen. Der 50 Quadratkilometer große See
liegt nicht weit vom Mittelmeer entfernt, mit dem er durch ein natürliches,
weit verzweigtes Labyrinth von Kanälen, dem Dalyan-Delta, verbunden ist. Da sein
Wasser durch den Kanal gespeist wird und leicht salzig ist, kommen hier auch
Meeresfische vor. Ansonsten kann man im seichten Wasser des Sees Seite an Seite
mit Süßwasserfischen und Schildkröten schwimmen. Was wir nicht beabsichtigen,
sondern lieber eine Bootsfahrt unternehmen wollen. Dazu fahren wir südlich nach
Dalyan. Auf dieser kurzen Strecke fahren wir an einem Friedhof vorbei, der in
mitten der Natur, in einem Wald liegt. Dies scheint in der Türkei nicht
unüblich zu sein.
In Dalyan, dem ganz auf Tourismus
abgestimmten Ort, weist uns ein Herr bei unserer Parkplatzsuche im "Zentrum" auf eine Abstellmöglichkeit hin, die ich nicht so ohne weiteres angefahren hätte.
Der Grund ist sofort verständlich. Kaum ausgestiegen, bietet uns der Herr, er
ist Bootsführer, eine Tour auf dem Köyceğiz-See an, die wir ja geplant haben
und deswegen wir auch hier sind. Insofern fühlen wir uns keineswegs "überrumpelt" und folgen ihm zu seinem Boot. Hier erklärt er uns verschiedene Bootstouren,
mit unterschiedlichen Zielen. Wir entscheiden uns für eine Ganztages-Tour, die
uns zurück zum Köyceğiz-See bringen wird und wieder zurück in die andere, in
die südliche Richtung, durch das Delta zum Meer. Der angebotene Preis wird
leicht nachverhandelt und nach unten korrigiert. Ein Barbecue-Angebot, eingenommen auf dem
Boot, wird von unserem Bootsführer noch nachgeschoben, das wir gerne
akzeptieren. Eine Verweildauer an Land, sofern von uns gewünscht, können wir
selbst bestimmen – wiederum ein passendes und auf uns zugeschnittenes, individuelles Angebot, da Zora zwischendurch ihr "Geschäft" erledigen muss.
Die gesamte Umgebung des
Sees ist Natur- und Wildschutzgebiet. Das allerdings ist nicht sofort
erkennbar. Nicht hier am Ufer, von dem wir uns gerade wegbewegen. Eine Armada
von Ausflugsbooten wartet auf ihre Besucher, auf ihre Bootsgäste. Und nicht nur
die Boote, nein, insbesondere natürlich die "Kapitäne", die hier alle sitzend,
nichts tuend, ihre Zeit am Ufer verbringen und auf ihre Kunden warten. Wie
anders unser Bootsfahrer, geht es mir durch den Kopf. Er bietet nichts anderes
an, als alle anderen, aber er ist, zumindest jetzt, erfolgreicher. Er ist ein "Cleverle". Aktiv hat er sich und sein "Geschäft" angeboten, nicht
aufgeschwatzt. Das gefällt mir. Jetzt konzentriere ich mich vollends auf die
nächsten Stunden, nein, ich genieße sofort die Bootstour auf den teils
schmalen, manchmal breiteren, ruhigen und verträumten Wasserwegen. Young-Ran
und Zora sitzen mir gegenüber und finden gleichfalls Gefallen an dem was uns
die Natur hier bietet.

Mir kommen spontan folgende Worte, folgende Sätze von meinem Freund Michael C., mit dem ich mich auf einer "Wellenlänge" befinde, in Erinnerung: Schön wäre, wenn es gelingen würde alle die Idioten, die unseren Planeten aus Machtstreben, Dollars in den Augen und anderen egoistischen Motiven mit Kriegen überziehen und sogar bereit sind Atomkriege in Kauf zu nehmen, endgültig und für immer zu stoppen. I have a dream. Ich auch. Die Natur gibt uns alles, und alles ist ihr unterzuordnen.

Mir kommen spontan folgende Worte, folgende Sätze von meinem Freund Michael C., mit dem ich mich auf einer "Wellenlänge" befinde, in Erinnerung: Schön wäre, wenn es gelingen würde alle die Idioten, die unseren Planeten aus Machtstreben, Dollars in den Augen und anderen egoistischen Motiven mit Kriegen überziehen und sogar bereit sind Atomkriege in Kauf zu nehmen, endgültig und für immer zu stoppen. I have a dream. Ich auch. Die Natur gibt uns alles, und alles ist ihr unterzuordnen.
Unser "Kapitän", der hin und wieder sein Steuer verlässt,
gibt uns Hinweise linker und rechter Hand des Ufers. Mal auf Vögel in Bäumen
sitzend zeigend, mal auf die Schwefel-Schlamm-Bäder von Dalyan, mal auf die Sultaniyequelle, deren 39–42
Grad heißes Thermalwasser mit Calciumchlor, Calciumsulfat, Radon und Schwefel
angereichert ist und gegen Rheuma, Lumbago, Haut- und Nervenkrankheiten helfen
soll. Die Quellen sind mit einem Kuppelbau überdacht; es gibt einen Außenpool
für Schlammkuren, Umkleidekabinen, Duschen, ein Restaurant und Ruheräume. Sultaniye
lässt sich auch auf dem Landweg erreichen, fügt er hinzu. Wer jedoch etwas von
der schönen Natur sehen will, sollte lieber den Seeweg bevorzugen – am besten
mit ihm, er lacht. Dann schaltet er den Motor ab, lässt das Boot durch das jetzt noch grau-gelbe, teilweise aber auch schon grün sprießende Schilf gleiten, bis wir zum Stehen kommen. Ruhe, nichts als Ruhe, nein,
Geschnatter, Zirpen, Piepen, wohltuende Laute, die wir etliche Minuten
verfolgen, hören, lauschen – bis Vögel aus dem Schilf hochsteigen, davonfliegen.
Was für ein Moment.




Im Sommer fahren rund 300
Touristenboote mit Platz für jeweils 25 Passagiere durch das mit Schilf bewachsene Delta, 160 von ihnen haben sich zu
einer Kooperative zusammengeschlossen. Bald sollen alle mit einem
umweltschonenden Elektromotor ausgerüstet sein – finanziert vom Staat. Zwar
wird der Fluss immer noch für die Fisch- und Krabbenzucht genutzt, doch die
meisten Fischer haben umgesattelt und bieten heute die weitaus lukrativeren
Bootstouren an. Ich stelle mir vor, nein, ich möchte mir nicht vorstellen, wie
in der Saison die Ausflugsboote mit fröhlichen Touristen dicht aufeinanderfolgend
den See, das Delta befahren. Wir bemerken von alledem glücklicher Weise nichts.
Wir sind alleine unterwegs.
Eine nochmalige Steigerung
unserer Tour verspricht die Fahrt jetzt in südliche Richtung, durch die Kanäle
raus bis zum Meer. Zunächst kommen wir wieder an Dalyan vorbei. Links Restaurants
direkt am Ufer gelegen, im Schatten von Oleanderbüschen, bieten sie fangfrische
Fischgerichte und ein typisches Flussambiente. Ansonsten vertäute Boote und
dahinter die Moschee und die Häuser des Städtchens. Rechts zieht Schilf und die Kulisse des Taurusgebirges
an uns vorbei. Dann der Blick hoch, an den steil abfallenden Felswänden in der
Flussbiegung, auf die imposanten, aus dem Stein gehauene Tempelfassaden, die
lykischen Königsgräber aus dem 4. Jh. vor Chr. Warum die Toten in dieser Höhe und nicht unter der Erde bestattet wurden? Wahrscheinlich, um dem Himmel
und damit den Göttern näher zu sein. Die Königsgräber kann man nur über schmale
Pfade im Fels aus nächster Nähe besichtigen.


Gleich weiter, ca. 15
Minuten vom Ufer entfernt, liegt die historische Stadt Kaunos. Wir legen an,
verlassen unser Boot und unseren Kapitän und laufen zu den Ausgrabungen der
antiken Stätte. Zuvor wird von Zora eine Schildkröte begutachtet und von Young-Ran liebevoll gestreichelt.





Das antike Kaunos wurde vom Sohn Miletos, dem König Kaunos gegründet. Laut Geschichts-Quellen lebte Kaunos in verbotener Liebe zu seiner Zwillings-Schwester und wurde des Landes verwiesen. Daraufhin hängte sich seine Schwester auf. Das Volk von Kaunos lebte vom Handel mit Salz, Feigen und Sklaven. Homer erwähnt Kaunos, merkt an, dass die Stadt aufgrund der Sümpfe in der Umgebung ein ungesundes Klima habe, womit wohl Malaria gemeint war. Wir, Zora und ich, erklimmen die Akropolis von Kaunos auf 152 m Höhe und haben, in dem Fall ich, einen phantastischen Blick über das Mündungsdelta bis zum Iztuzu-Strand und in die andere Richtung auf den Koyceğiz-See – und unter uns auf Young-Ran. Unterhalb der Akropolis liegt das gut erhaltene Theater, von dem aus der Weg zum ehemaligen Hafen führt, der seit 2000 Jahren schon verlandet ist.





Das antike Kaunos wurde vom Sohn Miletos, dem König Kaunos gegründet. Laut Geschichts-Quellen lebte Kaunos in verbotener Liebe zu seiner Zwillings-Schwester und wurde des Landes verwiesen. Daraufhin hängte sich seine Schwester auf. Das Volk von Kaunos lebte vom Handel mit Salz, Feigen und Sklaven. Homer erwähnt Kaunos, merkt an, dass die Stadt aufgrund der Sümpfe in der Umgebung ein ungesundes Klima habe, womit wohl Malaria gemeint war. Wir, Zora und ich, erklimmen die Akropolis von Kaunos auf 152 m Höhe und haben, in dem Fall ich, einen phantastischen Blick über das Mündungsdelta bis zum Iztuzu-Strand und in die andere Richtung auf den Koyceğiz-See – und unter uns auf Young-Ran. Unterhalb der Akropolis liegt das gut erhaltene Theater, von dem aus der Weg zum ehemaligen Hafen führt, der seit 2000 Jahren schon verlandet ist.
Der kleine Ausflug macht
uns Appetit – unser Kapitän wartet auf dem Boot auf uns. Er legt gerade Holz
und Kohle nach und bereitet alles zu unserem angekündigten Barbecue vor. Wir
fahren in eine nicht weit entfernte Bucht, genießen Salat, gegrilltes Lammfleisch,
Wurst, verschiedenes Gemüse und die absolute Ruhe um uns herum. Das Boot treibt
langsam dem Schilf entgegen. Unser Kapitän wirft kurz den Motor an, wir
entfernen uns genügend vom Schilf, das Boot treibt wieder vor sich hin, ganz
gemächlich. Wir sollen Bescheid geben, wann wir wieder weiter möchten – raus in
Richtung Iztuzu-Strand mit seinen bekannten Meeresschildkröten.
Das Delta weitet sich zu
einer Lagune. Am Horizont kommt der Strand mit ein paar Holzhütten, grün
angestrichen, in Sicht. Der nahezu 5,5 km lange, mit feinem Sand bedeckte Strand, ist bei unserer Ankunft menschenleer, nur ein älterer Herr empfängt uns am Ufer
und bittet ums "Eintrittsgeld" – das Betreten des Strandes ist nicht kostenlos. Die
vom Aussterben bedrohten Caretta Caretta, so der lateinische Name, haben hier
seit Jahrtausenden ihre Brutplätze und vergraben im September und Oktober 80
bis 100 Eier einen halben Meter tief im noch heißen Sand. Um die Schildkröten
zu schützen ist der Zutritt zum Strand zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr
morgens untersagt. Die riesigen Meeresschildkröten, die eine Größe bis zu 1,5
Metern und ein Gewicht bis zu 150 kg erreichen, legen ihre Eier nachts am
Strand ab. 60 Tage dauert es, bis der Nachwuchs schlüpft und im Mondschein ins
Meer robbt; mittlerweile mit menschlicher Hilfe, damit die Kleinen nicht als
Raubtierfutter enden. Jede Art von künstlichem Licht führen die neugeschlüpften
Schildkröten in die Irre und von ihrem Weg ins Meer ab. Leider schaffen es nur
wenige, im Meer zu überleben. Sie verenden durch Hunger, Krankheiten oder in Schleppnetzen. Von 1.000 Schildkrötenbabys erreichen nur ein bis zwei das Erwachsenenalter. Deswegen ist die Gattung unter Schutz gestellt. Nach zwei Jahrzehnten sind die Tiere geschlechtsreif und die Weibchen
kehren genau an den Strand zurück, an dem sie geboren wurden, um dort ihre Eier
abzulegen. Wieso, weshalb, warum das so ist, bleibt bis heute ein Rätsel.
















Dass der schmale
Sandstreifen, der das Dalyan-Delta vom Mittelmeer trennt, nicht bebaut wurde, ist
der Schildkröte zu verdanken. Einst
wollten Investoren hier ein Fünfsternehotel bauen. Umweltschützer und
Einheimische liefen mit internationaler Unterstützung Sturm gegen das
Bauvorhaben – mit Erfolg. Nun sichern die Schildkröten als Touristenmagnet das
Auskommen der Einheimischen. Wer sie jagt, wird mit drakonischen Strafen belegt.
Nach kurzem
Strandspaziergang führt uns unsere Fahrt wieder zurück nach Dalyan. Ein "Etwas" taucht kurz an unserem Boot auf und gleitet als Schatten vorbei. Auch unser
Bootsführer hat es bemerkt und spricht von einer Meeresschildkröte, nicht die
Caretta Caretta, sondern einer Süßwasserverwandten, einer zweiten Art von Schildkröte,
die hier lebt. Eine weitere Rarität ist an diesem Tag zu sehen und überrascht uns – ein anderes Ausflugsboot. Dass es am Köyceğiz-See und im Dalyan-Delta im Sommer wesentlich heißer zugeht, davon zeugen die vielen Boote an der Uferpromenade, im Heimathafen unseres Kapitäns.




Ein ganz besonderer, ein
von außergewöhnlicher Natur begleiteter Tag, ein Tag mit besonderen Eindrücken und
von herrlichem Wetter begünstigt, neigt sich dem Ende zu, als wir Dalyan wieder anlaufen. Wir fahren noch
einige Kilometer östlich auf der 400, durch einen neu erbauten, kostenpflichtigen Tunnel, bis nach Göcek, am Nordende des
Fethiye-Golfes, um hier zu übernachten.
17.090 km Tagesstart
17.149 km Tagesende
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