Beim Morgenspaziergang im "Zentrum" von Pamukkale fällt mir ein besonders originelles Werbeschild auf: HOTEL ALLGÄU.

Unser junger Wirt spielt nur mit seinem Handy, meint Young-Ran. Was soll er sonst auch tun, die vorbeifahrenden Autos zählen? ist meine Antwort. Wir sind um 8:30 Uhr die einzigen Gäste und das noch nicht mal in seinem Lokal, sondern auf dem OTOPARK, wo wir uns gerade zur Abfahrt bereitmachen.
Von unserem Übernachtungsplatz sind es nur ein paar
Schritte bis zu den Kalksteinterrassen
von Pamukkale. Kein Platz in Westanatolien, nicht einmal Ephesus hat eine so
schnelle Veränderung erlebt. Vor 40-50 Jahren war Pamukkale ein Ort, an dem
Reisende, die zufällig vorbeikamen, Ruhe fanden, eine frei fließende, heilige
Quelle und ein paar antike Säulen sahen. Heute drängen sich dem Besucher
Werbeschilder der Hotels und Pensionen auf, Souvenirläden versuchen zum Kauf
von Nippes zu verführen und hässliche Bauten am Straßenrand vermitteln zunächst
ein wenig schönes Bild.
Pamukkale liegt im Tal
des Flusses Mäander. Das Becken des Mäander entstand
aus einer Verwerfung. Aufgrund des tektonischen Geschehens befinden sich hier
eine Menge heißer Quellen. Eine dieser Quellen bewirkt das Naturwunder von
Pamukkale. Es ist Wasser, das sprudelnd, vornehmlich Kalk und noch viele andere
Mineralien, seit Jahrtausenden an die Erdoberfläche befördert.
Zuerst fällt unser Blick
auf eine weiße Felsenterrasse, eine scheinbare Schneelandschaft, die sich über
etliche Meter aus der Ebene erhebt, an dessen Abhängen sich stufenartig
zahlreiche Becken gebildet haben. Dieses Naturschauspiel hat sich in langen
Zeiträumen gebildet. An den Seiten der einzelnen Terrassen hängen
Zapfen oder Stalaktiten, die in der Sonne weiß schimmern. Die Terrassen
entstehen aus dem Wasser, das aus einer heißen Quelle auf dem Gipfel entspringt
und beim Niederfallen auf 33 °C abkühlt. Im Thermalwasser findet man gelöstes
Kalziumbikarbonat, das sich auf der Erdoberfläche in Kalziumdioxyd,
Kalziumkarbonat und Wasser aufteilt. Das Karbondioxyd verbindet sich mit der
Luft, Kalziumkarbonat, der grauweiße Kalk erhärtet sich und trennt sich vom
Wasser. Die Kalkablagerungen setzen sich zuerst in den Becken ab, sobald diese
mit Kalk gefüllt sind, fließt das Wasser an den Seiten über, bildet neue
Becken, füllt Vertiefungen und gelangt schließlich hinunter in die Felder. So entstanden im Laufe von Jahrhunderten die mehr als hundert Meter
hohen Terrassen. Die auffälligen Stalaktiten, die bei der Entstehung der Ablagerungen gebildet
werden, gruppieren sich in Stufen übereinander, bilden Terrassen und Kalkzapfen
wie in Tropfsteinhöhlen, die von den Rändern herabhängen. Das Kalziumoxyd im
Wasser verdickt die weißen Ablagerungen, verbreitert die Terrassen und schafft
Gebilde, die wie Muschelschalen oder Blütenblätter aussehen. Schwefelspuren und
Eisenoxyd bringen gelbe, rote und grüne Linien auf die weißen Flächen, die
höchst interessant aussehen.
Kaum, dass wir aus
unserem Fahrzeug aussteigen, bietet man uns ein Pamukkale Büchlein, inkl.
einem kleinen Karten-Set, für 20 TL an. Das Fahrzeug können wir kostenlos am
Straßenrand stehen lassen – ein Angebot, was sicherlich nur zu dieser
Jahreszeit gilt, da nur wenige Meter weiter ein kostenpflichtiger Parkplatz zur
Verfügung steht.


Unterhalb der Terrassen schlendern wir zunächst durch einen
kleinen Park mit einem hübsch angelegten See. Sofort biete man uns hier wieder
das von uns gerade erworbene Pamukkale Büchlein an. Dankend lehnen wir ab und
werden nach dem Preis gefragt, den wir bezahlt haben. Statt 20 TL sollen wir
hier nur 15 TL bezahlen. Zwar günstiger, aber zwei brauchen wir wirklich
nicht. Außerdem haben wir ja noch ein
Karten-Set erhalten und einen kostenlosen Parkplatz dazu. Der nächste Anbietende
verlangt 10 TL und der letzte Anbieter nur noch 5 TL,
mit dem Hinweis, dass er in Deutschland lange Jahre lebte und eine deutsche Familie
schließlich auch auf das Geld achten muss. Er hat recht. Ein Hinweis für alle zukünftigen Türkei-Reisende, oder Pamukkale-Besucher, nicht sofort jeden
Preis, gerade in touristischen "Hochburgen", zu akzeptieren.
Der Eingang zu den
Terrassen liegt rechts, etwas oberhalb des Parks. Mit dem Hinweis, dass es
verboten ist die Terrassen mit Schuhen zu betreten, ziehen wir unsere Schuhe
aus und betreten barfuß die märchenhafte Landschaft, die seit 1988 zum
Unesco-Welterbe zählt. Die festgelegte Strecke lässt sich relativ leicht
aufwärts laufen, gemächlicher Anstieg, keine große Anstrengung – also auch für ältere Menschen wie uns gut zu bewältigen.
Zora, die auch hier, wie bisher überall, die Kulturstätten besuchen darf, wird
von anderen Besuchern immer wieder angesprochen und heran gerufen, u. a. von einer in Speyer lebenden türkischen Familie, die z. Zt. in der Türkei ihre Eltern besuchen.

Baden darf man nur in
einigen künstlich angelegten, flachen Betonbecken – und in der künstlichen
Rinne, durch die das Wasser läuft und uns die ganze Zeit beim "Besteigen" der
Terrassen begleitet.
Nicht überall strahlen
die Sinter schneeweiß. Früher wurden Hotelanlagen direkt über den Terrassen
gebaut. Das heiße Wasser wurde erst in die Hotel-Pools geleitet und dann auf
den Abhang. Mit fatalen Folgen: Das Wasser kühlte schon oben ab, bildete hier den weißen Sinter, auf die Terrassen aber floss Schmutzwasser, und es bildete
sich kein neuer Travertin mehr. Den Rest erledigten die Touristen, die vor 20
Jahren noch in Schuhen herumlaufen und in allen Becken baden durften. Vom
leuchtenden Pamukkale-Weiß war kaum noch etwas zu sehen, der Hang lag so grau
und unansehnlich da, dass Umweltorganisationen Alarm schlugen. Die Regierung
geriet unter Druck und ließ die Hotels schließen, im Jahr 2000 wurde das letzte
abgerissen. Die letzten grauen Flächen, die ich vermeide aufzunehmen, zeugen heute noch von dieser
Umweltsünde.

Oben
angekommen setzen wir uns auf eine Bank und genießen den Blick auf die Anlage –
unter entsprechendem Schutz. Das Sicherheitspersonal ist damit beschäftigt,
Zora zu fotografieren oder sich – wiederum unter Aufsicht – den "Pferdeschwanz" neu legen zu lassen. Wir beachten hier unseren eigenen Schutz und halten uns
von jeder Menschenmenge fern, die allerdings zu dieser Jahreszeit kaum anzutreffen
ist. Was unseren Aufenthalt in der Türkei in jeder Hinsicht begünstigt.

Hier auf dem Plateau
liegen die Ruinen von Hierapolis. Young-Ran gönnt sich eine Auszeit, ich
laufe mit Zora durch die Ruinen. In der antiken Stadt ist ein
römisches Bad mit hohen Gewölben, sowie ein antikes Theater besonders gut
erhalten. Besucht werden kann ein archäologisches Museum, das
einige reich verzierte Sarkophage zeigt. Entschädigung für das Badeverbot in
den Terrassenbecken bietet gleich hinter dem Museum der "Antique
Pool". In dem angenehm warmen Quellwasser schwimmt man zwischen
Säulenteilen umher –das Bad ist der Rest eines ehemaligen Hotelpools.

Beim Abgang, den wir nicht mit dem Gleitflug wählen, ruft uns
ein junger Türke zu sich heran und ist stolz, mit unterschiedlichen
Besuchernationen, Chinesen, einer Koreanerin und einem Deutschen, von seinen
Kameraden fotografiert zu werden.
Das Phänomen von
Pamukkale wiederholt sich nur gut fünf Kilometer weiter in nördliche Richtung.
Das Dorf Karahayit hat seinen eigenen Wunderfelshang. Hier färben Eisen und
Schwefel die Felsen in knalligem Rot, Gelb und Grün. Aufgrund der
fortgeschrittenen Zeit verzichten wir auf einen Besuch dieser Attraktion, um
noch vor Einbruch der Dunkelheit in Marmaris anzukommen. Laodikeia, kurz vor
Denizli gelegen, stand noch auf unserem Besichtigungsprogramm, fällt jetzt aber auch
der knappen Zeit zum Opfer. Unser Reiseführer empfiehlt zwar ausdrücklich den
Besuch dieser antiken Stätte, da man hier auf dem Boden steht, wo eine der
ersten sieben Kirchen in der Geschichte der Christenheit gegründet wurde, ansonsten
aber nur ein zerstörtes Theater und ein monumentaler Brunnen zu finden ist. Darauf
können wir heute gut und gerne verzichten und fahren dafür lieber wieder durch
den Großstadtverkehr von Denizli und lassen noch den beinahe leeren Dieseltank
befüllen. Nach dem Tanken führe, bzw. versuche ich eine Diskussion mit dem
Tankwart zu führen, da er mir keinen Tankbeleg ausstellt, sondern mir nur die
Kreditkarten-Quittung aushändigt. Das Ergebnis kann sich jeder vorstellen – meine
Bemerkungen sind erfolglos. Nicht verstanden oder nicht verstehen wollend, entfernt
sich der Tankwart und betankt das nächste wartende Fahrzeug.
Durch Denizli und wieder
an Tavas vorbei geht es die 330 durch eine gebirgige, hin und wieder recht
kurvenreiche Strecke, die überwiegend in einem sehr schlechten Zustand zu
befahren ist, aber ausgebaut wird. Nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung, die
ich penibel einhalte, werden wir trotzdem von einer Verkehrskontrolle angehalten.
Der Polizist ist überaus freundlich, strahlt uns an und meint verry good, verry
nice – schaut zur Wohnkabine hoch und lässt uns weiterfahren. Auf diese
freundliche Geste hätten wir natürlich verzichten können, sind uns aber
bewusst, dass wir dem Polizisten sicherlich eine gewisse Abwechslung geboten
haben. Einige Kilometer weiter wieder eine Polizeikontrolle, diesmal mit
ausdrücklichem Stop-Schild. (Ich weigere mich hier, ein doppeltes "p" zu tippen,
da ja auf dem Schild STOP und nicht STOPP steht.) Ich bremse ab, um anzuhalten,
werde aber von dem hinter mir fahrendem LKW durch ein langanhaltendes,
aufdringliches Hupen aufgefordert, weiter zu fahren. Anderes, als Gas zu geben,
bleibt mir in dieser Situation nicht übrig. Die Entscheidung ist richtig, da weit und breit keine kontrollierenden
Polizisten zu sehen sind.
Gegen 18:30 Uhr, also
kurz vorm Dunkelwerden, erreichen wir die vom Tourismus geprägte Küstenstadt Marmaris,
im südwestlichen Teil der Türkei. An der belebten Uferpromenade suchen wir vergeblich einen
Parkplatz und verlassen nach kurzem Devisenumtausch die Stadt, das Fahrzeug parke ich im
Parkverbot. 9 km nach dem Ortsausgang finden wir einen geeigneten
Parkplatz zum Übernachten – natürlich direkt an einem Restaurant gelegen. Wir werden
äußerst freundlich begrüßt, insbesondere Zora, die im Restaurant frei rumlaufen
darf und von einem Gast gleich vom Teller ein "Leckerli" zugeworfen bekommt, was Zora freudig
annimmt und mich "zwingt", dies lächelnd zu akzeptieren. Bei unserem
Verlassen der Lokalität steht dieser Gast auf und verabschiedet sich von uns
mit einem herzlichen Handschlag.
16.535 km Tagesstart
16.769 km Tagesende
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